14 oktober 2011
Deutsche Firmen verpassen ihre Chancen in Afrika
Yves Ekoué Amaïzo, 51, lebt in Wien, Washington und London. Der togoische Ökonom ist Direktor der Denkfabrik Afrology, 20 Jahre war er für die UN tätig. Er fordert mehr Mut von deutschen Mittelständlern.
Afrika biete viele Chancen. Wenn Deutschland das nicht bald erkenne, habe die Konkurrenz die Nase vorn.
SZ: Herr Amaïzo, verschlafen deutsche Firmen ihre Chancen in Afrika?
Amaïzo: Das Bruttosozialprodukt ist in den meisten afrikanischen Ländern in den vergangenen zehn Jahren schneller und nachhaltiger gewachsen als zuvor.
Es hat zudem ein fundamentaler Wandel in der Politik stattgefunden, Unternehmer haben nun viel größere Handlungsspielräume.
Die Deutschen scheinen das zu übersehen. Im laufenden Jahr wird die Wirtschaft in der Region südlich der Sahara um etwa 5,5 Prozentwachsen, also weit stärker als in Deutschland. Das müsste den deutschen Mittelstand doch ermutigen.
SZ: Viele klagen über Korruption und schlechte Infrastruktur.
Amaïzo: Afrika besteht aus 54 sehr unterschiedlichen Ländern. Es gibt Regierungen, die ernsthaft Infrastruktur, Bildung, Gesundheits-, Justiz-und Sozialwesen aufbauen. Zur Korruption gehören
im Übrigen zwei, einer der besticht, und einer der bestochen wird. Deutsche Firmen könnten sich einen Wettbewerbsvorteil verschaffen, wenn sie Vorbilder für ethisches Wirtschaften in Afrika
würden. Sie sollten soziale und ökologische Standards einhalten, lokale Mitarbeiter ausbilden und menschenwürdige Arbeitsplätze schaffen. Das würde auch Europa helfen, weil dann weniger Migranten dorthin wollten und viele wieder zurückgingen. Aber natürlich müssen auch die afrikanischen Eliten die Prinzipien der guten Regierungsführung einhalten. Ich bin überzeugt, dass
die Chancen für deutsche Firmen in Afrika die Probleme aufwiegen.
SZ: Warum investieren so wenige?
Amaïzo: Den Deutschen sind die Gepflogenheiten in Afrika fremd. China, Indien, Brasilien, Russland und Südafrika kommen mit den Rahmenbedingungen besser zurecht, weil sie selbst aufstrebende
Länder sind. Die neuen Wirtschaftsmächte nutzen ihre Chancen in Afrika längst – ebenso wie andere westliche Länder.
Sie werden die afrikanischen Märkte kontrollieren, wenn die Deutschen noch länger zögern.
SZ: Wer sind die stärksten Konkurrenten aus dem Westen?
Amaïzo: Die Franzosen sind dank ihrer exzellenten persönlichen Kontakte aus der Kolonialzeit gut im Geschäft, obwohl sie nicht immer die wettbewerbsfähigsten sind. Die Amerikaner sind vor allem
im Rohstoffsektor aktiv und haben darüber enge Bande zu den afrikanischen Eliten geknüpft. Beides trägt nicht immer zur Demokratisierung und zum wirtschaftlichen Wohl der afrikanischen Staaten bei.
Die Deutschen könnten ein Zeichen setzen und zum Beispiel in Namibia Arbeitsplätze für Hereros
schaffen, für jenen Volksstamm, den sie während der Kolonialzeit massakriert haben.
Interview: Judith Raupp
Source : http://www.sueddeutsche.de/M5J38D/256636/Mehr-Mut.html